FACHBEITRAG

Aus Industriearmaturen 1|2016

Präzise Armaturendiagnostik mit der Torsionsmesskupplung

FRANZ SAAL

In Heft 2/2013 dieser Zeitschrift wurde die Torsionsmesskupplung erstmalig vorgestellt – eine diagnosefähige Kupplung, die genauso eingebaut wird wie die standardmäßig verwendeten Kupplungen zwischen Drehantrieb und Armatur. Damit wird die Kraft des Antriebs übertragen und zusätzlich das Drehmoment gemessen, das einzig und alleine nur an der Armatur entsteht.

Dieser Beitrag präsentiert nun neue Anwendungsbeispiele für dieses System, das Betreiber von Armaturen jederzeit erkennen lässt, wie sich der Qualitätszustand seiner Armaturen im Betrieb und unter Betriebsbedingungen verhält.

Eine weitverbreitete Arbeitsmethode besteht darin, dass Armaturen bei großen Stillständen ausgetauscht werden und bis zum nächsten Stillstand halten müssen, um sie dann wiederum komplett auszutauschen. Zwischenzeitlich ist keine Messung an den Armaturen vorhanden, die vorausschauend Fehler oder den Zustand erkennen lassen. Es werden dann grundsätzlich alle Armaturen gewechselt ohne zu wissen, ob doch noch einige Armaturen ihren Dienst hätten weiter erbringen können. Hier fehlt einfach ein Messergebnis, was den qualitativen Zustand im Vorfeld ermitteln kann. Mit dieser beschriebenen Arbeitsweise entsteht ein durchaus unnötiger Materialverbrauch und erheblicher Arbeitsaufwand.

Es lohnt sich darüber nachzudenken, ob neue Wege beschritten werden können. Neue Wege in der Form, wodurch das Messen des Qualitätszustandes auch die Entscheidung für andere, bessere, langlebigere Armaturen abgeleitet werden können (höhere Verfügbarkeit).
Durch stetiges Austauschen ohne Kontrolle, ohne zu wissen wie sich der qualitative Zustand verhält, wird eine
solide Betrachtung zum Verbessern der eigenen Rentabilität nicht gegeben sein. Um solche Aussagen zu präzisieren, müssen aber Messergebnisse vorliegen, wie sie jetzt durch die Armaturendiagnose mit dem Einsatz einer Torsionsmesskupplung (TMK) ermittelt werden können.
Die Auswertung der Messergebnisse kann mannigfaltig gestaltet sein. Die TMK kann standardmäßige Messwerte liefern, die ein Aufschalten auf ein Leitsystem, eine SPS oder sonstige Auswertmöglichkeiten ermöglichen.

DIE TORSIONSMESSKUPPLUNG UND IHRE ANWENDUNG

Die Torsionsmesskupplung (TMK) ist eine diagnosefähige Messkupplung, die genauso eingebaut wird wie die bisher verwendeten Kupplungen zwischen Drehantrieb und Armatur (Bild 1). Auf diese Weise wird weiterhin die
Kraft des Antriebs übertragen und zusätzlich das Drehmoment gemessen (Bild 2), das einzig und alleine nur an der Armatur entsteht. Die präzisen Aufzeichnungen des Drehmoments an der Armatur erlauben nun rechtzeitig Fehler zu erkennen, bevor größerer Schaden entsteht.
Interessant ist dies für die Betreiber von Armaturen und deren Instandhaltung. Mit dem Einsatz einer TMK werden
die Betreiber jederzeit über die Zuverlässigkeit der Armatur informiert. Ausfälle können so vermieden werden und planbare Abhilfe erhöht die Effizienz.
Mit dieser Messmethode werden neue Wege in der Armaturendiagnostik beschritten. So werden
Sicherheitsanforderungen in laufenden Prozessen unterstützt und gleichzeitig Kosten reduziert, wenn es um Instandhaltung und Verfügbarkeit geht. Gestützt auf fundierte Messergebnisse, die von der TMK geliefert werden, eröffnen sich neue Bewertungskriterien. Messdaten der TMK lassen den Vergleich zu, wie war der Neuzustand und wie ist, der zurzeit vorliegende Zustand im Betrieb.
So liefert die diagnosefähige Messkupplung dem Betreiber oder der Instandhaltung wertvolle Messdaten, die für
Entscheidungen im laufenden Betrieb wichtig sind.

Bild 1: Torsionsmesskupplung (TMK) für 520 Nm

(Vierkant Antriebsseite 22/22 mm, Armaturenwelle, Taschenfräsung 22/26 mm)

WORIN LIEGT DER FORTSCHRITT BEI DIESEM MESSVERFAHREN?

Die bisher angewendeten Messverfahren für Drehmomente in der Armaturendiagnostik geben nur bedingte Messdaten für eine Qualitätsaussage wieder. Es handelt sich insbesondere um die Druck-Laufzeit-Messung oder bei Elektroantrieben die Messung über die Stromaufnahme oder bei einem Hydraulikantrieb die Messung über
den Druck.
Alle diese indirekten Messungen erfassen das Losreißmoment. Je nach Belastung verändern sie die Steilheit der Messkurve und sie beeinflussen das Gesamtdrehmoment. Dabei setzt sich das Gesamtdrehmoment aus der Summe der Reibungskräfte der Armatur und denen des Antriebs sowie ihren Getrieben und den Federrückstell- kräften zusammen. In diesem Zusammenspiel ist absolut nicht zu erkennen, wieviel Drehmoment die Armatur erzeugt und was durch die Reibung innerhalb des Antriebs verfälscht wird. So ist eine Zuordnung von Fehlverhalten bei der Armatur nur bedingt möglich.
Spätestens jetzt zeigt sich der große Unterschied zwischen den bisherigen Messverfahren und der neuen TMK- Messung, die einzig das Drehmoment der Armatur direkt ermittelt – gleichzeitig aber auch den Antrieb mit überwachen kann.
Bei jedem Öffnungs- oder Schließwinkel einer Armatur liefert die TMK ein genaues Bild des vorherrschenden Drehmoments – passend zu jedem Drehwinkel. Aus dem Messergebnis lassen sich dann, entsprechende Fehler zuordnen.
Der Charakter von unterschiedlichen Armaturentypen zeigt sich am deutlichsten bei jedem Drehwinkel, sodass bei Abweichungen innerhalb bestimmter Toleranzen schnell Fehler zu erkennen sind.

Bild 2: TMK gekuppelt mit Antrieb und einem Kugelhahn

1 Kugelhahn, 2 TMK, 3 pneumatischer Antrieb, 4 Anschlussbox für Versorgungsspannung und

Messsignal

DIE TMK-MESSUNG GEHT ÜBER ANDERE MESSVERFAHREN HINAUS

Hat der Antrieb die Endlage erreicht, ist bei den Standardverfahren, die mit der Druck-Laufzeit-, Stromaufnahme- oder Hydraulikdruck-Messung arbeiten, die Messung beendet. Es werden keine weiteren Messergebnisse
geliefert weil diese Messverfahren nicht mehr ermöglichen.
Dies ist bei einer TMK-Messung anders. Sie liefert bei Stillstand oder in der Endlage der Armatur zusätzlich noch das wichtige Messergebnis der bleibenden Verdrehung. Die bleibende Verdrehung entsteht durch Reibungskräfte, die von der Armatur kommen und der TMK nicht erlauben, zum Nullpunkt zurückzukehren. Es sei denn, die Reibungskräfte in der Armatur wären verschwunden oder die Welle gebrochen – nur dann würde die TMK zu ihrem Nullpunkt zurückkehren. Tritt ein solcher Zustand ein, nämlich dass die TMK in der Endlage Nullwerte liefert, dann ist von einem gravierenden Fehler auszugehen.
Auswertbare Messwerte zur bleibenden Verdrehung in der Endlage oder bei Bewegungsstillstand, die nur über die TMK geliefert werden können, sind also ein qualitätsbestimmendes Kriterium bei der Armaturendiagnose.
Bild 3 zeigt dazu als Beispiel die Messergebnisse an einem Kugelhahn und verdeutlicht die beschriebene
Funktionsweise.
Mit der TMK lassen sich die Drehmomente einer Armatur, zu jedem Öffnungs- Schließwinkel und dem zurückgelegtem Weg, (0 bis 90°) Drehbewegung, messtechnisch, exakt nachvollziehen. So lassen sich Fehler entsprechend zuordnen.

Bild 3: Messergebnisse mit der TMK an einem Kugelhahn mit pneumatischem Antrieb

Bei A, strömt Luft in den Antrieb, die bleibende Verdrehung vor A hebt sich auf.
Bei B ist die TMK entlastet. Es ist der Nullpunkt, weil der Drehrichtungswechsel erfolgt. Ab hier beginnt mit dem
Losreißmoment das neu zu messende Drehmoment.
Das maximale Losreismoment ist bei C erreicht und die Drehbewegung der Armatur beginnt. Zwischen C und D bewegt sich die Armatur in die Offenstellung. Bei D ist der Punkt erreicht, an dem die Kugel im vollen Durchmesser in die Sitze fährt. Hier wird im Normalfall auch das höchste Drehmoment erreicht.
Hat der Antrieb seine Endlage erreicht, fällt das Drehmoment bis zu E, wo die bleibende Verdrehung angezeigt
wird.
Die bleibende Verdrehung ist das Ergebnis aller vorhandenen Reibungskräfte in der Armatur. Fehler an den
Sitzringen, Welle, Stopfbuchse würden hier Abweichungen zum Ursprungszustand anzeigen.
Genauso wird der Messvorgang beim Schließen verlaufen. Bevor sich die Kugel in der Armatur bewegt, wird die bleibende Verdrehung aufgehoben und ab B beginnt das Losreißmoment im Vorgang „Schließen der Armatur“. Beim Punkt F ist das höchste Losreißmoment erreicht. Die Bewegung der Kugel beginnt.
Eine Drehmomenterhöhung nach dem Punkt F zeigt, wenn die Kugel in die Sitze einfährt, jetzt aber nicht mit vollem Durchmesser. Ab dem Punkt G bis H die Basiswerte, in einer anderer Darstellung.
Auch bei dieser Messung gibt es die bleibende Verdrehung, die beim Punkt E mit ein Maß für den
Qualitätszustand darstellt.

ENTSCHEIDUNGEN KÖNNEN AUF BASIS VON MESSERGEBNISSEN GETROFFEN WERDEN

Für die Betreiber von Armaturen und ihre Instandhaltung eröffnen sich durch das Messergebnis mit der TMK neue Wege in der Bewertung des Qualitätszustands. Sicherheit und wirtschaftliche Aspekte im Umgang mit der Austauschbarkeit, Standzeit von Armaturen, etc. bekommen dadurch einen neuen Stellenwert. Störungen können
rechtzeitig erkannt werden.

PRAXISBEISPIELE, DIE FÜR DIE ANWENDUNG EINER TMK SPRECHEN

Beispiel Kugelhahn

Bei einem Betreiber fielen im Prozess in gewissen Abständen immer einige Kugelhähne aus. Die Folge war ein ungewollter Produktionsstopp mit spontan auftretenden, ungeplanten Reparaturarbeiten, weil sich Produktreste
zwischen Kugel und Gehäuse abgelagert hatten. Durch die Ablagerungen entstand eine
Verfestigung des Produkts und der Antrieb brachte zwangsläufig nicht mehr die Kraft auf, um den Kugelhahn zu bewegen und einen einwandfreien Betrieb zu gewährleisten.
Die Instandhaltungsabteilung und die Produktionsingenieure ersetzten dann im Sinne der Armaturendiagnostik die Kupplung zwischen Antrieb und Kugelhahn durch eine TMK. Sie wollten auf Basis von präzisen
Messergebnissen zukünftig Ausfälle vermeiden und gezielt Reparaturaktivitäten planen können.
Ab sofort wurden die Drehmomente in eingebautem Zustand aufgezeichnet. Dazu wurde zu Beginn der Aufzeichnungen ein „Fingerabdruck“ von jeder Armatur im Neuzustand oder nach einer Reparatur aufgenommen, um diese Werte mit dem Betriebszustand vergleichen zu können.
Mit diesen Maßnahmen lässt sich rechtzeitig erkennen wie sich das Drehmoment und der Qualitätszustand verhalten. Von nun an lassen sich die Ausfälle vermeiden und Maintenance ist planbar geworden.

Beispiel Klappen

Bei ausgekleideten, gummierten Klappen kann es vorkommen, dass alleine durch das Anziehen der Rohrleitungsflansche ein erhöhtes Drehmoment entsteht, und zwar durch einseitiges Anziehen oder durch Verspannungen die im Rohrleitungssystem auftreten.
Wird bei solchen Klappen in nicht eingebautem Zustand das Drehmoment mit einer TMK gemessen, so ist ein
klarer Unterschied zum eingebauten Zustand zu erkennen. Die erhöhten Drehmomente entstehen durch das Quetschen der Dichtungselemente, durch einseitiges Anziehen oder Verspannungen, jedoch nicht durch prozessbedingte Störungen.
Um hier Abhilfe zu schaffen ist es erforderlich, dass bereits beim Einbauen der Klappen eine TMK den sach- und fachgerechten Einbau mit überwacht. Beim Anziehen der Flansche ist die Klappe mit der TMK „Auf“ und „Zu“ zu fahren, um die Auswirkungen beim Anziehen zu beobachten.
In welche Richtung verändert sich das Drehmoment beim Anziehen mehr oder weniger, sodass ein zentrierter Einbau mit möglichst wenigen Veränderungen beim Drehmoment durch das Anziehen erreicht wird. Diese Vorgehensweise kann in den Arbeitsanweisungen mit aufgenommen werden, um hier Fehler zu vermeiden.
Aus Erfahrung ist bekannt, dass – wenn solche Vorgänge nicht beachtet werden – der Drehantrieb die Klappen irgendwann nicht mehr wird bewegen können. Deshalb ist ein solcher Arbeitsschritt mit einer TMK auch hier von sicherheitstechnischen wie wirtschaftlichen Vorteilen geprägt.
Die Messwertaufzeichnungen mit der TMK lassen nun Fehler rechtzeitig erkennen. Auch hier gilt wie im vorgenannten Beispiel, dass nun präzise Vorhersagen getroffen werden können.

Bild 4: Reibungsmessung bei einem Armaturenantrieb

ANTRIEBE TESTEN MIT EINER TMK

Die TMK kann noch mehr: Ein Armaturenantrieb kann mit einer TMK sowohl während des Betriebs als auch im Stillstand darauf getestet werden, ob die einwandfreie Funktion noch gewährleistet ist. Werden zum Beispiel die Herstellerdaten noch erfüllt?
Die Federkraft sowie die Kolbenkraft werden bei allen Drehwinkeln mit einer TMK gemessen. Wie in Bild 4 in der
blauen Kurve dargestellt, wird das Drehmoment mit der Reibung gegen die Feder gemessen. Entspannt sich nun die Feder, so ergibt sich die rote Kurve. Die TMK ist dabei auf der Abtriebs-Seite des Antriebs angebracht. Die Differenz zwischen der roten und blauen Kurve ergibt die Reibung, die innerhalb des Antriebs besteht. So lässt sich im Ergebnis die Reibung des Antriebs präzise bei jedem Öffnungs- oder Schließwinkel messen.

Für Betreiber von Armaturen stehen nun mit einer TMK zuverlässige Messdaten zur Verfügung. Sowohl von der Armatur als auch vom Antrieb.